Rhein-Lahn-Zeitung, 15. November 2016:
nfotag Netzwerkpartner nutzen die Gelegenheit auch zum gegenseitigen Austausch
Von unserer Mitarbeiterin Ulrike Bletzer
Nassau. „Soziale Themen sind eben sperrig“, meinte Vorsitzender Peter Nettesheim unmittelbar vor Veranstaltungsbeginn. Der Grund: Der dritte Infotag des von ihm mit gegründeten Netzwerks Sozialkompass Nassau schien zunächst, zurückhaltend formuliert, nur mäßige Resonanz zu finden. Obwohl 20 Netzwerkpartner mit Infoständen vor Ort waren und das Angebot damit umfangreicher ausfiel als in den beiden Jahren zuvor, blieb man anfangs weitgehend unter sich.
Umso aufbauender, dass das Engagement der Netzwerkpartner in den Grußworten Anerkennung fand. Während Landrat Frank Puchtler die beiden Komponenten des Begriffs „Sozialkompass“ analysierte und sagte: „Es gibt im sozialen Bereich viele Angebote. Aber manchmal kommt man in eine Situation, in der man plötzlich Hilfe braucht, und dann ist es gut zu wissen, an wen man sich wenden kann“, betonte Armin Wenzel. Angesichts des demografischen Wandels würden Netzwerke wie der Sozialkompass, der sich nicht nur, aber vor allem an die ältere Generation richtet, immer wichtiger. Und, so der Stadtbürgermeister weiter: „Ohne die G. und I. Leifheit-Stiftung würde es den Sozialkompass nicht geben, und er hätte sich auch nicht so entwickelt, wie er sich entwickelt hat.“
Zur Erinnerung: Vor rund drei Jahren wurde der Sozialkompass Nassau, ein Zusammenschluss im sozialen Bereich tätiger Institutionen, Organisationen und Einzelpersonen, gegründet, der sich im April 2015 als eigenständiger Verein formierte. In seinem Beratungszentrum, das sich mittlerweile in der Gerhart-Hauptmann-Straße befindet, finanziert die G. und I. Leifheit-Stiftung eine hauptamtliche Vollzeitstelle. Und sie unterstützt, sofern mit ihren Satzungszielen konform, nach Kräften soziale Projekte. Unter welchen Prämissen sie dies tut, erläuterte Werner Stump, Generalsekretär der G. und I. Leifheit-Stiftung, folgendermaßen: „Der Sozialkompass sichtet die Anträge. An seiner Beurteilung orientiert sich der Stiftungsvorstand, ist aber nicht daran gebunden.“ Wichtig sei, dass die Initiativen ihre Projekte untereinander abstimmten, anstatt sich gegenseitig Konkurrenz zu machen. „Wir möchten keine Vereinsmeierei“, so Stump wörtlich, der zudem davon sprach, die Förderung über Nassau hinaus auszuweiten. Welche Zwischenbilanz er nach gut drei Jahren Sozialkompass zieht? „Das muss langsam wachsen“, antwortete er. „Es hat keinen Sinn, etwas hochzupuschen, was hinterher in sich zusammenfällt.“
Doch zurück zum Infotag. Der zehnjährige Philipp Matzat, Schüler des Leifheit-Campus und der Kreismusikschule, brachte einige Klavierstücke zu Gehör, dann konnte man sich ausgiebig über die diversen Angebote informieren. Dass dies anfänglich nur wenige taten, stieß bei vielen auf Unverständnis, schien aber nicht gänzlich zu überrachen. „Alter und Gebrechlichkeit verdrängen die meisten Menschen am liebsten“, sagte zum Beispiel Petra Schäfer-Jahn, Pflegeberaterin der Stiftung Diakoniewerk Friedenswarte. „Wer nicht selbst betroffen ist, glaubt, das sei für ihn noch lange kein Thema. Aber die Pflegebedürftigkeit kommt in den meisten Fällen ganz plötzlich.“
Ihren Zweck erfüllte die Veranstaltung auch ohne massenhaften Zulauf. „Man lernt sich untereinander kennen, vertieft die bereits vorhandenen Kontakte und tauscht sich aus“, erklärte Fritz Stork, Leiter des Orthopädie-Schuhgeschäfts der Stiftung Scheuern. „So habe ich den Überblick, den ich brauche, um Leute, die nach einem bestimmten Hilfsangebot suchen, gegebenenfalls an den passenden Ansprechpartner weiterzuleiten.“
Lohnend war der Infotag noch aus einem anderen Grund: Insgesamt sechs Impulsvorträge hatte Gottfried Kühnau, stellvertretender Vorsitzender des Vereins Sozialkompass Nassau und Moderator des Nachmittags, im Lauf der Zeit anzukündigen. Während Elo Röck Einblick in die wichtige Arbeit des Hospizvereins Rhein-Lahn gab, informierte Stefan Hauser vom Pflegestützpunkt Bad Ems seine Zuhörer über die am 1. Januar 2017 in Kraft tretenden Neuregulungen in der Pflegeversicherung. Karl Hans Born vom Verein der Freunde und Förderer von Bildung und Weiterbildung im Nassauer Land erklärte, unter welchen Voraussetzungen lebenslanges Lernen gelingen kann, und Sozialkompass-Vorsitzender Peter Nettesheim forderte in seinem Vortrag unter anderem, ehrenamtlich im sozialen Bereich tätige Menschen dürften unter keinen Umständen als „billiger“ Ersatz für Fachkräfte ausgenutzt werden. Der Mediziner Dr. Andrew Barnes wiederum stellte die neuropsychologische Therapie, eine Behandlungsmethode bei Hirnverletzungen und -erkrankungen, Wilfried Ilgauds dagegen die Initiative 55 plus-minus mit ihren vielfältigen Angeboten, darunter das Projekt „Leben und Wohnen im Alter“ in Dessighofen, vor.
Viel Input und Stoff zum Nachdenken also. Und nach und nach fanden dann doch noch etliche Besucher den Weg in die Stadthalle. Unter ihnen Karin Garthe, deren Einstellung nicht unbedingt repräsentativ, aber auf jeden Fall nachahmenswert ist. „Ich bin hier, um mich mit Informationen zu versorgen, die es mir ermöglichen, im Alter möglichst lange in meinem gewohnten Umfeld zu bleiben“, sagte sie, die seit noch nicht einmal ganz zwei Monaten in Rente ist. „Auch wenn es emotional belastend ist, möchte ich diese Informationen jetzt schon sammeln, damit ich im Ernstfall sofort darauf zurückgreifen kann.“