Rhein-Lahn-Zeitung, 13. Dezember 2018:
Neue Beratungsstelle für Menschen mit Behinderung wurde offiziell eröffnet
Bad Ems. Das kommt wahrlich nicht alle Tage vor: dass eine Einrichtung bereits am Tag ihrer offiziellen Eröffnung mit einer beeindruckenden Bilanz aufwarten kann. Die EUTB-Beratungsstelle der Inklusa gGmbH in Bad Ems konnte es. „Seit dem Start im Juli haben wir hier 167 Beratungsgespräche geführt“, berichtete Jörg Röder, einer der beiden Geschäftsführer der Inklusa gGmbH, nicht ohne Stolz, und präzisierte: „Von diesen 167 Beratungsgesprächen erfolgten 94 am Telefon und 61 im persönlichen Gespräch – sei es, wie in 39 dieser Fälle, zu Hause bei den Ratsuchenden oder hier bei uns in der Beratungsstelle.“ Dazu kommen sieben Online-Anfragen und fünf „normale“ Briefe.
Zweifellos ein imposantes und für eine erst vor rund fünf Monaten eröffnete Beratungsstelle zudem ziemlich ungewöhnliches Zahlenwerk also, das vor allem eines widerspiegelt: wie hoch die Nachfrage nach der Arbeit ist, die die Inklusa gGmbH mit ihrem neuen Beratungsangebot leistet. Der Begriff, der hinter dem Kürzel EUTB steht, sagt es eigentlich schon: „Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatung“ – das bedeutet, Menschen mit Behinderung zusätzlich zu bereits existierenden Angeboten, vor allem aber zu 100 Prozent neutral und losgelöst von den Interessen jeglicher Leistungsanbieter oder Kostenträger der Behindertenhilfe zu beraten und je nach Problemstellung an die passenden Kontakt- und Hilfsstellen weiterzuvermitteln. Deutschlandweit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) vor dem Hintergrund der Reform des Bundesteilhabegesetzes 500 EUTB-Beratungsstellen als neues Angebot ausgeschrieben. Doch wie Jörg Röders Geschäftsführerkollege Robin Rump bei der Eröffnungsfeier betonte: „Im Rhein-Lahn-Kreis ist diese hier die einzige.“
Anschaulich schilderten Röder und Rump, wie sich die Inklusa gGmbH 2017 beim BMAS für die Finanzierung einer EUTB-Beratungsstelle bewarb und Anfang dieses Jahres die Zusage aus Berlin kam. Wie sie mit Petra Koschella und Julia Tiwi-Feix, die beide Sozialpädagoginnen und Case Managerinnen mit Zusatzausbildung in systemischer Beratung sind, zwei kompetente Mitarbeiterinnen und mit den Räumlichkeiten im Gebäude der Diakonie Friedenswarte am Schanzgraben 3 in Bad Ems ein passendes, barrierefreies Quartier fanden. Noch lebhaft erinnerten sie sich auch daran, wie sie bereits eine Woche vor dem offiziellen Bescheid einen Überraschungsbrief erhielten, in dem ihnen die SPD-Bundestagsabgeordnete Gabi Weber zur Bewilligung gratulierte.
Wie sehr der Bundespolitikerin an der Beratungsstelle gelegen ist, zeigte sich nicht zuletzt auch darin, dass sie an der kleinen Eröffnungsfeier in Bad Ems teilnahm. „Ich freue mich unendlich, dass es diese Einrichtung gibt, denn überall taucht die Frage nach einer unabhängigen, nicht an einen Leistungsträger geknüpften Beratung auf“, betonte sie in ihrem Grußwort. „Vor allem für Menschen mit Behinderung ist diese Neutralität extrem wichtig, damit sie Vertrauen entwickeln können.“
Eine Menge Lob gab es auch von Landrat Frank Puchtler. Für das Engagement des Beratungsstellen-Teams, dem er Kraft, Verständnis und die Fähigkeit wünschte, „nicht alle psychischen und emotionalen Belastungen, die Sie an Ihrer Arbeitsstelle erleben, mit nach Hause zu nehmen“. Für das Grenzen übergreifende Wirken der Inklusa gGmbH, die mit den EUTB-Beratungsstellen der Diakonischen Werke in Altenkirchen, Limburg und dem Westerwaldkreis eng zusammenarbeitet. Und für die G. u. I.-Leifheit-Stiftung, die der Kreischef als „Glücksfall der Geschichte“ bezeichnete. Der Grund: Die G. u. I-Leifheit-Stiftung hat mit ihrer Anschubfinanzierung das zweite Standbein der Bad Emser Beratungsstelle ermöglicht. Denn die bietet zusätzlich zur EUTB-Beratung eine Beratung für Menschen mit erworbener Hirnschädigung (MeH) an, die sich in einer grundlegend anderen Situation als von Geburt an behinderte Menschen befinden. 69 der eingangs erwähnten 167 Beratungsgespräche fallen in diesen Bereich, für den Julia Tiwi-Feix mit der Hälfte ihrer Arbeitsstelle zuständig ist. Bernd Feix, Leiter des Geschäftsbereichs Behindertenhilfe bei der Stiftung Scheuern, merkte an, dass statistisch gesehen jedes Jahr allein im Rhein-Lahn-Kreis 330 Menschen neu eine Schädel-Hirn-Verletzung erleiden. Besonders bemerkenswert: Die MeH-Beratung der Inklusa gGmbH strahlt weit über den Rhein-Lahn-Kreis hinaus auf das gesamte nördliche Rheinland-Pfalz aus. Und nicht nur das: Sie habe sogar schon Anfragen aus Spanien und Luxemburg bekommen, erzählte Julia Tiwi-Feix bei der Eröffnungsfeier, die mit einer kurzen, aber angeregten Diskussionsrunde abschloss.