Geschichte der Burg Nassau soll besser erfahrbar werden:
Büchlein und Ausstellung geplant

Rhein-Lahn-Zeitung, 1. Februar 2017:

Von unserem Redakteur Carlo Rosenkranz

Nassau. Die Stammburg Nassau-Oranien bleibt vielen Besuchern ein Buch mit sieben Siegeln. Kein Schild, kein Führer und kein Faltblatt weist auf die bis heute aktuelle Bedeutung des Adelshauses hin, das dort seit dem 12. Jahrhundert residierte. Das soll sich nun ändern. Das Land als Eigentümer der Burg und die G. und I. Leifheit-Stiftung als Hauptfinanzier geben einen handlichen Burgführer in Auftrag und wollen eine Dauerausstellung im Bergfried einrichten.

Einzigartig in der Region ist die Nassauer Burg, weil dorther mit Adolf von Nassau ein römisch-deutscher König entstammt, der von 1292 bis 1298 die Krone des Reichs trug. Der im Speyerer Dom begrabene Herrscher öffnete seinen Nachkommen sozusagen die Tür zum erlauchten Kreis des europäischen Hochadels. Bis heute, denn im Großherzogtum Luxemburg und im Königreich der Niederlande sind Sprösslinge des Hauses Nassau die gekrönten Häupter. Diese herausragende Bedeutung der Nassauer Burg will die Verwaltung Burgen, Schlösser, Altertümer in der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) nun deutlicher herausstellen.

Stadt stellt Vitrinen

Mit insgesamt 30.000 Euro trägt die G. und I. Leifheit-Stiftung in diesem und im kommenden Jahr zur Verwirklichung bei. „Wir können jetzt Dinge angehen, die gedanklich schon seit einigen Jahren vorbereitet sind“, sagt die Direktorin von Burgen, Schlösser, Altertümer Angela Kaiser-Lahme. Ohne den Zuschuss hätte die Umsetzung wohl noch einige Jahre mehr gedauert, denn die GDKE kann pro Haushaltsjahr nur 4000 Euro beisteuern. Die klamme Stadt Nassau leistet ihren Beitrag durch die Bereitstellung von mehreren Vitrinen für die Ausstellung.

Zwei Elemente sollen schon recht bald den Gästen die Burg näher bringen. Im Herbst soll eine etwa 20 Seiten umfassende Publikation erscheinen. Als Autoren wurden Alexander Thon vom Lahnsteiner Altertumsverein und Udo Liessen beauftragt. Beide haben sich in der Burgenforschung bereits einen Namen gemacht. Thon veröffentlichte 2008 den Band „Burgen an der Lahn“, und Liessen war laut Kaiser-Lahme einer der ersten, die seit den 1970er-Jahren die Burgen der Region intensiv erforscht hat. „Dieser Kurzführer soll die Basis sein, um sich auf der Burg zu orientieren“, sagt sie. Ihr Zeitplan sieht vor, dass das Werk Anfang Oktober auf Burg Nassau und somit rechtzeitig zur Frankfurter Buchmesse vorgestellt wird. Somit stünde das Büchlein für die Saison 2018 zur Verfügung. Es soll für 5 Euro erhältlich sein und sowohl auf der Burg als auch unten in der Stadt verkauft werden. „Das ist ein Preis, den jeder gern bereit ist auszugeben“, schildert sie die Erfahrungen mit anderen Publikationen der Burgenverwaltung, die ebenfalls im Verlag Schnell und Steiner erschienen sind. Wie in den bereits bestehenden Bildheften über andere Burgen im Zuständigkeitsbereich der Denkmalverwaltung sollen Abbildungen dominieren. „Die kurzen Texte müssen aber Hand und Fuß haben“, so Kaiser-Lahme.

Ein König als Schwerpunkt

Zweites Element soll eine Ausstellung sein, die im Bergfried eingerichtet werden und im Frühsommer 2018 eröffnet werden soll. Der dafür vorgesehene Raum (nicht das Trauzimmer) soll bereits mit Licht und einem Hängesystem ausgestattet sein. Dort will man die Geschichte des Hauses Nassau-Oranien darstellen. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf König Adolf von Nassau. Außerdem will man auf die Baugeschichte der Burg eingehen, die laut Thons Band „Burgen an der Lahn“ noch „völlig ungenügend“ erforscht ist. So will man den von Merian um 1650 festgehaltenen Zustand nach der letzten großen Ausbauphase vor dem Zerfall dem Zustand zur Zeit Adolfs von Nassau gegenüberstellen. Auf Basis aktueller Vermessungen soll dafür ein Grundriss angefertigt werden, der wiederum Grundlage für ein Modell werden soll. „Damit hätten wir eine Basis für eine gute Vermittlung“, sagt Kaiser-Lahme.

Bis zur Präsentation der Ausstellung ist noch einiges an Forschung zu leisten. Von der Burg existiert laut Kaiser-Lahme bislang nur ein Grundriss, der vor mehr als 100 Jahren eher aus der Hand gezeichnet worden sei. Die Chefin von Burgen, Schlösser, Altertümer schaut zudem bereits weiter in die Zukunft und denkt dabei auch über bauliche Veränderungen nach. So möchte sie langfristig beispielsweise den völlig zugewachsenen Zwinger wieder erlebbar machen. Dazu muss aber erst mal die im vergangenen Jahr begonnene Sanierung der Außenmauern (die RLZ berichtete) abgeschlossen sein, die sich bis 2018 hinziehen wird. Außerdem müsse eine sichere Zuwegung zum Zwinger geschaffen werden. „Und es gibt weitere Ideen“, sagt Kaiser-Lahme.

Da sich die G. und I. Leifheit-Stiftung unter anderem die Förderung der Pflege der deutschen Geschichte zum Ziel gesetzt hat, ist es ihr möglich, das Vorhaben der Burgenverwaltung zu unterstützen. „Das ist auch ein Bildungsprojekt, denn Schüler sollen mit der Geschichte der Burg Nassau vertraut gemacht werden“, fügt Josef Peter Mertes, Vorstandsmitglied der Stiftung, hinzu.

Sie freuen sich auf das Projekt: (von links) Florian Hasenknopf, Armin Kraft, Armin Wenzel, Werner Stump, Angela Kaiser-Lahme, Josef Peter Mertes, Frank Puchtler und Udo Rau. Foto: Carlo Rosenkranz

Burg wurde vor 1128 errichtet – Zerfall begann im 17. Jahrhundert

Vor 1128 ließen die Grafen Ruprecht und Arnold von Laurenburg die Burg auf einem etwa 200 Meter hohen Hügel bei Nassau errichten. Spätestens seit 1160 nannten sich die Herrschaften Grafen von Nassau. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts wurden Mauern und Türme ausgebessert. Der Zerfall der Burg begann, als sie im Verlauf des 17. Jahrhunderts aufgegeben wurde. Vor 1860 und danach gab es Sicherungsarbeiten, um 1980 wurden Bergfried und Palas wiederaufgebaut. 2016 begann die Sicherung der Mauer, die bis 2018 fortgesetzt wird.

Unterstützung für Sozialkompass

Rhein-Lahn-Zeitung, 27. Januar 2017:

Engagement Leifheit-Stiftung fördert Büro – Demenzparcours kommt nach Nassau

Nassau. Der Sozialkompass in Nassau will im Mai drei Wochen lang einen Demenzparcours in der Stadt aufbauen. An einem Dutzend Stationen soll man dort erfahren können, wie sich die Beeinträchtigungen einer Demenz in alltäglichen Situationen auswirken. Dieses vom 4. bis 26. Mai geplante Projekt wird aus Anlass des zehnjährigen Bestehens des Demenznetzwerks Bad Ems/Nassau durchgeführt. „Der Parcours ist unser nächstes großes Projekt“, sagt Gottfried Kühnau, Vorsitzender des Vereins Sozialkompass Nassau.

Die Arbeit des Vereins, der ein Beratungszentrum in der Gerhart-Hauptmann-Straße betreibt, wird von der G. und I. Leifheit-Stiftung unterstützt. Deren Vorstandsmitglied Josef Peter Mertes übergab nun die erste Rate für das laufende Jahr in Höhe von 25000 Euro an Kühnau und den Schatzmeister Horst Engel.

Der Sozialkompass bündelt und koordiniert als Leitstelle die Interessen und Aktivitäten der etwa 30 Netzwerkpartner. Kühnau zufolge sind ein Tag der offenen Tür ebenso geplant wie ein Informationstag. Dieser soll entgegen den ersten beiden Ausgaben jedoch im Günter-Leifheit-Kulturhaus und nicht in der Stadthalle über die Bühne gehen. Dort könnten Gespräche und Vorträge in familiärerem Rahmen stattfinden. Eine neue Außendarstellung sei ebenso vorgesehen wie eine Neustrukturierung und -organisation des Beratungsbüros. Da der Netzwerkgründer und ehemalige Vorsitzende Peter Nettesheim sich aus Altersgründen zurückziehen will, muss für seine Nachfolge gesorgt werden. „Vieles ist im Werden, aber es ist noch nichts konkret“, sagt Vorsitzender Kühnau. Carlo Rosenkranz

Josef Peter Mertes (Mitte), Vorstandsmitglied der G. und I. Leifheit-Stiftung, übergibt einen Bewilligungsbescheid über die Summe von 25000 Euro an den Vorsitzenden des Vereins Sozialkompass Nassau, Gottfried Kühnau (rechts). Mit auf dem Foto ist Horst Engel, Schatzmeister des Sozialkompass’.
Foto: Carlo Rosenkranz

Kontakt zum Sozialkompass:
Telefon 02604/9523801

Leifheit-Stiftung steht weiter zum Lahnfestival

Rhein-Lahn-Zeitung, 18. Januar 2017:

Kultur Vorstand sagt Förderung für drei Jahre zu und bewilligt 70.000 Euro für die Saison 2017

Von unserem Redakteur Carlo Rosenkranz

Nassau/Rhein-Lahn. Das Lahnfestival „Gegen den Strom“ hat von seinem wichtigsten Einzelförderer eine Zusage bekommen, dass er die Kulturreihe zwischen Lahnstein und Diez für weitere drei Jahre finanziell unterstützen wird. Konkret für die im Mai beginnende Festivalsaison 2017 überreichte Josef Peter Mertes für die G. und I. Leifheit-Stiftung am Dienstag in Nassau einen Bewilligungsbescheid über 70.000 Euro an den künstlerischen Leiter Diethelm Gresch. Am selben Tag kam per Post auch die Bewilligung des Kultursommers Rheinland-Pfalz für 25.000 Euro, sodass die beiden Hauptsäulen der Finanzierung feststehen.

Mit der Bewilligung zeigt die G. und I. Leifheit-Stiftung, dass man nach der geplatzten Gründung einer gemeinnützigen GmbH als Trägergesellschaft (die RLZ berichtete) zu der Veranstaltungsreihe steht. Bereits seit drei Jahren fördert die Stiftung das Festival. „Man braucht Planungssicherheit, damit man die Künstler binden kann“, begründet Vorstandsmitglied Mertes die Zusage, „Gegen den Strom“ bis mindestens 2019 zu unterstützen. Der ehemalige Landtagsabgeordnete und frühere Präsident der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion lobte das Engagement des künstlerischen Leiters Gresch für die Belebung des Kulturangebots in der Region.

Auch 2017 wird das Festival nun also vom Verein Peregrini, dessen Vorsitzender Gresch ist, getragen. Wann und in welcher Form eine andere Organisationsstruktur etabliert wird, ist derzeit offen. „Ziel ist es, eine Verstetigung zu erreichen“, sagte Mertes. „Es gibt verschiedene Überlegungen, wie man das angeht und umsetzt.“

In seine achte Saison geht das Lahnfestival am 12. Mai mit Terence Mc Nallys „Meisterklasse“, in der die Schauspielerin Andrea Eckert die legendäre Opernsängerin Maria Callas mimt – eine Rolle, mit der sie am Wiener Volkstheater in elf Jahren mehr als 170.000 Zuschauer begeistert hat. In Kooperation mit der Opera Classica soll es zwei bis drei Opernaufführungen geben, wobei Mozarts „Cosi fan tutte“ bereits feststeht. Ein zentrales Element ist die Klavierakademie mit Lev Natochenny und Eugene Choi. Auch der Pianist Igor Lazko wird nun mitwirken.

Die etwa 25 geplanten Veranstaltungen des Festivals bilden ein breites Spektrum ab. Die Kinderoper „Arche Noah“ von Annegret Ritzel gehört ebenso dazu wie die Offenbach-Tage, ein Konzert der Flora Sinfonie, ein Jazzkonzert und der Tanzball im Marmorsaal. Auch die Themen Philosophie und Theologie werden wieder berücksichtigt. So wird Limburgs neuer Bischof Georg Bätzing mit Holger Zaborowski von der Hochschule in Vallendar diskutieren. Der Professor wird zudem über das Verhältnis des deutschen Philosophen Martin Heidegger zum Nationalsozialismus sprechen.

Josef Peter Mertes (Mitte) übergibt im Namen der G. und I. Leifheit-Stiftung den Bewilligungsbescheid über 70.000 Euro für das Lahnfestival „Gegen den Strom“ an den künstlerischen Leiter Diethelm Gresch. Mit dabei ist Festivalassistentin Tatjana Dorsch.

Sozialkompass präsentiert seine Angebote

Rhein-Lahn-Zeitung, 15. November 2016:

nfotag Netzwerkpartner nutzen die Gelegenheit auch zum gegenseitigen Austausch

Von unserer Mitarbeiterin Ulrike Bletzer

Nassau. „Soziale Themen sind eben sperrig“, meinte Vorsitzender Peter Nettesheim unmittelbar vor Veranstaltungsbeginn. Der Grund: Der dritte Infotag des von ihm mit gegründeten Netzwerks Sozialkompass Nassau schien zunächst, zurückhaltend formuliert, nur mäßige Resonanz zu finden. Obwohl 20 Netzwerkpartner mit Infoständen vor Ort waren und das Angebot damit umfangreicher ausfiel als in den beiden Jahren zuvor, blieb man anfangs weitgehend unter sich.

Umso aufbauender, dass das Engagement der Netzwerkpartner in den Grußworten Anerkennung fand. Während Landrat Frank Puchtler die beiden Komponenten des Begriffs „Sozialkompass“ analysierte und sagte: „Es gibt im sozialen Bereich viele Angebote. Aber manchmal kommt man in eine Situation, in der man plötzlich Hilfe braucht, und dann ist es gut zu wissen, an wen man sich wenden kann“, betonte Armin Wenzel. Angesichts des demografischen Wandels würden Netzwerke wie der Sozialkompass, der sich nicht nur, aber vor allem an die ältere Generation richtet, immer wichtiger. Und, so der Stadtbürgermeister weiter: „Ohne die G. und I. Leifheit-Stiftung würde es den Sozialkompass nicht geben, und er hätte sich auch nicht so entwickelt, wie er sich entwickelt hat.“

Zur Erinnerung: Vor rund drei Jahren wurde der Sozialkompass Nassau, ein Zusammenschluss im sozialen Bereich tätiger Institutionen, Organisationen und Einzelpersonen, gegründet, der sich im April 2015 als eigenständiger Verein formierte. In seinem Beratungszentrum, das sich mittlerweile in der Gerhart-Hauptmann-Straße befindet, finanziert die G. und I. Leifheit-Stiftung eine hauptamtliche Vollzeitstelle. Und sie unterstützt, sofern mit ihren Satzungszielen konform, nach Kräften soziale Projekte. Unter welchen Prämissen sie dies tut, erläuterte Werner Stump, Generalsekretär der G. und I. Leifheit-Stiftung, folgendermaßen: „Der Sozialkompass sichtet die Anträge. An seiner Beurteilung orientiert sich der Stiftungsvorstand, ist aber nicht daran gebunden.“ Wichtig sei, dass die Initiativen ihre Projekte untereinander abstimmten, anstatt sich gegenseitig Konkurrenz zu machen. „Wir möchten keine Vereinsmeierei“, so Stump wörtlich, der zudem davon sprach, die Förderung über Nassau hinaus auszuweiten. Welche Zwischenbilanz er nach gut drei Jahren Sozialkompass zieht? „Das muss langsam wachsen“, antwortete er. „Es hat keinen Sinn, etwas hochzupuschen, was hinterher in sich zusammenfällt.“

Doch zurück zum Infotag. Der zehnjährige Philipp Matzat, Schüler des Leifheit-Campus und der Kreismusikschule, brachte einige Klavierstücke zu Gehör, dann konnte man sich ausgiebig über die diversen Angebote informieren. Dass dies anfänglich nur wenige taten, stieß bei vielen auf Unverständnis, schien aber nicht gänzlich zu überrachen. „Alter und Gebrechlichkeit verdrängen die meisten Menschen am liebsten“, sagte zum Beispiel Petra Schäfer-Jahn, Pflegeberaterin der Stiftung Diakoniewerk Friedenswarte. „Wer nicht selbst betroffen ist, glaubt, das sei für ihn noch lange kein Thema. Aber die Pflegebedürftigkeit kommt in den meisten Fällen ganz plötzlich.“

Ihren Zweck erfüllte die Veranstaltung auch ohne massenhaften Zulauf. „Man lernt sich untereinander kennen, vertieft die bereits vorhandenen Kontakte und tauscht sich aus“, erklärte Fritz Stork, Leiter des Orthopädie-Schuhgeschäfts der Stiftung Scheuern. „So habe ich den Überblick, den ich brauche, um Leute, die nach einem bestimmten Hilfsangebot suchen, gegebenenfalls an den passenden Ansprechpartner weiterzuleiten.“

Lohnend war der Infotag noch aus einem anderen Grund: Insgesamt sechs Impulsvorträge hatte Gottfried Kühnau, stellvertretender Vorsitzender des Vereins Sozialkompass Nassau und Moderator des Nachmittags, im Lauf der Zeit anzukündigen. Während Elo Röck Einblick in die wichtige Arbeit des Hospizvereins Rhein-Lahn gab, informierte Stefan Hauser vom Pflegestützpunkt Bad Ems seine Zuhörer über die am 1. Januar 2017 in Kraft tretenden Neuregulungen in der Pflegeversicherung. Karl Hans Born vom Verein der Freunde und Förderer von Bildung und Weiterbildung im Nassauer Land erklärte, unter welchen Voraussetzungen lebenslanges Lernen gelingen kann, und Sozialkompass-Vorsitzender Peter Nettesheim forderte in seinem Vortrag unter anderem, ehrenamtlich im sozialen Bereich tätige Menschen dürften unter keinen Umständen als „billiger“ Ersatz für Fachkräfte ausgenutzt werden. Der Mediziner Dr. Andrew Barnes wiederum stellte die neuropsychologische Therapie, eine Behandlungsmethode bei Hirnverletzungen und -erkrankungen, Wilfried Ilgauds dagegen die Initiative 55 plus-minus mit ihren vielfältigen Angeboten, darunter das Projekt „Leben und Wohnen im Alter“ in Dessighofen, vor.

Viel Input und Stoff zum Nachdenken also. Und nach und nach fanden dann doch noch etliche Besucher den Weg in die Stadthalle. Unter ihnen Karin Garthe, deren Einstellung nicht unbedingt repräsentativ, aber auf jeden Fall nachahmenswert ist. „Ich bin hier, um mich mit Informationen zu versorgen, die es mir ermöglichen, im Alter möglichst lange in meinem gewohnten Umfeld zu bleiben“, sagte sie, die seit noch nicht einmal ganz zwei Monaten in Rente ist. „Auch wenn es emotional belastend ist, möchte ich diese Informationen jetzt schon sammeln, damit ich im Ernstfall sofort darauf zurückgreifen kann.“

„Nassauer Dialog“ soll Dauerbrenner werden

Rhein-Lahn-Zeitung, 24. September 2016:

Nachwuchsförderung Stein-Gesellschaft und Stiftung planen langfristig – Teilnehmer loben Rahmenbedingungen

Von unserem Redakteur Carlo Rosenkranz

Nassau. Veranstalter und Förderer des „Nassauer Dialogs“ wollen die Veranstaltung dauerhaft an der Lahn verankern. Der Vortrag eines prominenten Redners in der Stadthalle zu Beginn ist – neben den seit 2010 in Berlin stattfindenden Hauptstadtgesprächen – die zweite Säule öffentlicher Veranstaltungen der Freiherr-vom-Stein-Gesellschaft. Vizepräsident Hans-Günter Henneke zufolge ist ihm daran gelegen, den „Nassauer Dialog“ langfristig zu etablieren. „Wenn ich mal etwas anfange, halte ich auch durch“, sagte er zum Auftakt der zweiten Auflage. In Berlin habe man mittlerweile 23 der zweimal jährlich stattfindenden Hauptstadtgespräche vorzuweisen.

Stadtbürgermeister Armin Wenzel zeigt sich dankbar, dass das Nachwuchsförderprogramm der Stein-Gesellschaft „im kleinen, aber historisch bedeutsamen“ Nassau seinen Sitz gefunden hat. „Der ‚Nassauer Dialog‘ ist ein Alleinstellungsmerkmal mit bundesweiter Ausstrahlung“, sagte er. Ohne die finanzielle Unterstützung der G. und I. Leifheit-Stiftung sei dies undenkbar. Seinen Beitrag leistet auch der Nachfahre des Freiherrn, Sebastian Graf von Kanitz. „Die Teilnehmer waren im vergangenen Jahr von der Atmosphäre der Räumlichkeiten im Schloss ganz eingenommen, berichtete dieser von der Premiere 2015 und sagte: „Für qualitätsvolle Veranstaltungen öffnen wir gern unsere Räumlichkeiten.“

An dem Lahnstädtchen als Austragungsort zweifelt keiner der Verantwortlichen. „Die Bedingungen hier sind ideal“, sagt Prof. Bernd Walter, geschäftsführendes Präsidialmitglied der Freiherr-vom-Stein-Gesellschaft und Leiter des Instituts für westfälische Regionalgeschichte. Das Schloss, Geburtshaus des Namensgebers der Gesellschaft, gebe dem Nassauer Dialog eine einzigartige Atmosphäre, die es ermögliche, direkt an die Gedanken des Freiherrn anzuknüpfen. Graf von Kanitz sieht durch den Besuch der geladenen Nachwuchskräfte die Geschichte des Hauses belebt und steht hinter dem Konzept des „Nassauer Dialogs“. „Wir können den jungen Teilnehmern hier etwas geben, das ihr Interesse an den Themen von damals und von heute weckt“, sagt er und schlägt den Bogen zum diesjährigen Thema: „Auch Stein hat sich Gedanken über die Pressefreiheit gemacht, weil er ein Verfechter der Freiheit war.“ Diese sei ein großes Gut. Dabei habe sich der Freiherr im fortgeschrittenen Alter durchaus kritisch über Journalisten und die Presse geäußert, die „die öffentliche Meinung verwirren“ könnten.

Die Stein-Gesellschaft wirbt generell für mehr Eigenverantwortung. Schon deshalb scheint Nassau idealer Ort für das Förderprogramm. Schließlich hat der Freiherr 1807 mit seiner Nassauer Denkschrift ein Reformprogramm für den preußischen Staat begründet, „das auf die Verantwortlichkeit und Teilhabe des einzelnen“ setzt, wie die Stein-Gesellschaft formuliert. Der „Nassauer Dialog“ soll neben den geladenen jungen Führungskräften mit einem öffentlichen Vortrag am Freitagabend auch die Bürger ansprechen. Damit will man die Veranstaltung „dauerhaft im Bewusstsein der Einwohner verankern“, wie es in einer Dokumentation der Premiere heißt.

In Nassau fühlen sich die jungen Menschen aus Politik, Verwaltung, Verbänden und Wissenschaft, die das Lahnstädtchen bis auf wenige Ausnahmen zuvor nicht kannten, wohl. „Die Teilnehmer empfinden es als Privileg, dabei sein zu können“, berichtet Prof. Bernd Walter zum Abschluss des zweiten „Nassauer Dialogs“. Sie seien voller Lob für Referenten, Impulsgeber sowie für die Rahmenbedingungen. Schon im vergangenen Jahr lautete das Fazit: „Der exklusive Rahmen hat seine Wirkung nicht verfehlt.“ Dazu wird ausdrücklich das jeweils am Samstagabend platzierte Konzert des Lahnfestivals gezählt, welches das Konzept kulturell abrundet. Auch vom Inhalt des „Nassauer Dialogs“ sind die Teilnehmer offenbar begeistert. „Sie wünschen sich noch mehr Raum für Diskussionen und den gegenseitigen Austausch“, sagt Walter. „Das Gespräch untereinander vor dem Hintergrund der Inputs aus den Referaten ist ihnen sehr wichtig.“

Gute Bedingungen offenbar, um über den Tag hinaus ein Alumni-Netzwerk zu gründen, das seinen Ursprung in dem etwa 48 Stunden währenden Besuch in Nassau hat. Ziel ist es laut Stein-Gesellschaft „einen dauerhaften und nachhaltigen Informations- und Gedankenaustausch„ einzuleiten. Dahinter steht der Wille, den Nassauer Dialog dauerhaft und regelmäßig fortzusetzen. „Die G. und I. Leifheit-Stiftung ist sehr angetan und will eine Kontinuität“, berichtet Bernd Walter. „Für uns ist das eine wichtige Botschaft.“ Der stellvertretende Vorsitzende der Stiftung, Josef Peter Mertes, bestätigt: „Wir gehen davon aus, dass die Freiherr-vom-Stein-Gesellschaft noch viele weitere ‚Nassauer Dialoge‘ mit uns veranstaltet.

Nachlass des Freiherrn ist digital frei abrufbar

Der Nachlass des Freiherrn vom Stein auf Schloss Cappenberg ist weitgehend im Internet einzusehen. Er gehört zu den historisch-kulturell wichtigen Schriftnachlässen aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts und befindet sich in Privatbesitz des Grafen von Kanitz. Digitalisiert wurde der gesamte Nachlass, der etwa 47.000 Blatt umfasst. Nun kann online auf die Dokumente unter (https://www.archive.nrw.de) frei zugegriffen werden. Nur noch für Privatkorrespondenzen, Dokumenten zu Privatgeschäften und persönliches Archivgut von Familienangehörigen müssen Benutzeranträge ausgefüllt werden. crz

Rolle der Medien kritisch betrachtet

Rhein-Lahn-Zeitung, 20. September 2016:

Vortrag Beim zweiten Nassauer Dialog spricht Ex-ZDF-Intendant Markus Schächter über die Branche

Von unserem Redakteur Carlo Rosenkranz

Nassau. Rund 140 Gäste sind der Einladung zum öffentlichen Vortrag des zweiten „Nassauer Dialogs“ in die Stadthalle gefolgt. Prof. Markus Schächter, ehemaliger Intendant des ZDF, legte seine drei Thesen zur Frage dar, wohin sich die Medien als sogenannte vierte Gewalt entwickeln. Interessierte Bürger aus Nassau und dem Umland, die knapp 30 geladenen jungen Führungskräfte, Medienschaffende sowie Vertreter der Freiherr-vom-Stein-Gesellschaft (FvSG) und der G. und I. Leifheit-Stiftung tauschten sich im Anschluss durchaus kontrovers noch lange über das Thema im persönlichen Gespräch aus.

Schon die Grußworte stießen direkt zum Thema vor. Die Grenzöffnung für Tausende Asyl suchende fand während der Premiere des Nassauer Dialogs vor einem Jahr statt, erinnerte Prof. Hans-Günter Henneke, Vizepräsident der FvSG. Nun werde offenbar, dass Medien und Politik in einer Vertrauens- und Legitimationskrise steckten. Für den politischen Bereich werde das an den hohen Stimmenanteilen der AfD bei mehreren Landtagswahlen sichtbar. Vielen Menschen sei der Glaube an den eigenen Fortschritt verloren gegangen. Es fehle das Gefühl von Sicherheit, wobei dieses Empfinden völlig losgelöst von der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage sei. „Wir stehen gut da“, meinte Henneke. An die Medien stellte er die Frage, ob es richtig gewesen sei, so breit über die Pegida-Demonstrationen im vergangenen Winter zu berichten und jeden Halbsatz aus der bayerischen CSU zu verbreiten. „Personalisieren wir, skandalisieren wir, oder sind wir lösungsorientiert?“, sagte Henneke.

Das von Pegida-Anhängern genutzte Bild des Jornalisten mit langer Pinocchionase führte Markus Schächter, der seit 2012 Honorarprofessor für das Fach Medienethik ist, zum Auftakt seines Vortrags an. Der mittlerweile verbreitet genutzte Begriff „Lügenpresse“ habe seinen Ursprung im Dritten Reich und sei ein „aggressives Synonym für einen eklatanten Vertrauensbruch mit den etablierten Medien“. Die Medien würden verdächtigt, Informationen zu unterschlagen und Teil des Systems zu sein. Diese Ansicht werde auch in weniger radikalen Lagern vertreten. Da das Vertrauen das höchste Gut der Medien sei, gehe es für sie ans Eingemachte.

Dass auf Journalisten geschimpft werde, sei nichts Neues. Das hätten Mainzer Mönche zu Gutenbergs Zeiten ebenso getan wie Helmut Schmidt, Helmut Kohl und Joschka Fischer. Allerdings seien sie nie höher angesehen gewesen, als in den vergangenen 70 Jahren. Das Bundesverfassungsgericht habe ihnen eine Systemrelevanz in der deutschen Demokratie bescheinigt. „Der Begriff der vierten Gewalt ziert uns“, sagte Schächter. Die Medienvielfalt sei Grundlage für einen sinnvollen öffentlichen Diskurs. Obwohl Deutschland das beste Pressesystem der Welt habe, sei es an der Zeit sich selbstkritisch zu hinterfragen. Warum, erläuterte der gebürtige Pfälzer Schächter in seinen drei Thesen.

Das Internet hat Schächter zufolge nicht nur das Geschäftsmodell der „alten“ Medien ausgehöhlt, sondern auch deren Informationsmonopol zerstört. Das neue Medium verband er mit den Begriffen „selbstbewusst, militant, aggressiv“. Das Übermaß an Information verwirre viele Menschen. Zugleich meinten viele aufgrund der im Netz vorhandenen unzähligen, scheinbar objektiven Info-Angebote und Plattformen, sie wüssten es selbst am besten. Die Folge: Sie glauben den klassischen Medien nicht mehr. Das Netz aber sei ein „Spiegelkabinett der Spekulationen und Gerüchte“. Was früher am Stammtisch in kleiner Runde verhallte, finde nun einen unbeschränkten Echoraum.

„Absurder Wahnwitz“

Zugleich fürchte etwa ein Drittel der Bürger, ihr Zuwachs an Wohlstand ende, der Abstieg stehe unmittelbar bevor. „Während sie sich im täglichen Überlebenskampf wähnen, geht es objektiv vielen von ihnen besser als je zuvor“, sagte Schächter. Ihre Sorgen fänden sie weder in den Medien, noch in der Politik beachtet. Die Folgerung: Mainstreamjournalisten machen gemeinsame Sache mit der politischen Klasse. Die Vorstellung, die Kanzlerin telefoniere den Redaktionen jeden Morgen durch, was zu berichten sei, bezeichnete Schächter als „absurden Wahnwitz“. Im Gegenteil: „Es gibt eine unerhört große Meinungsfreiheit der Journalisten in unserem Land.“

Von zentraler Bedeutung ist für den Professor für Medienethik auch der Umgang der Journalisten mit den eigenen Fehlleistungen. Beim Zusammenbruch der US-Bank Leeman Brothers 2008 seien die Medien ihrer Funktion nicht nachgekommen. Im Zusammenhang mit der stark boulevardisierten Berichterstattung über den damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff habe die Presse die Ethik des eigenen Standes verletzt. Und das tagelange Schweigen über die Silvesternacht 2015 in Köln sei Futter für Verschwörungstheoretiker gewesen. Zuletzt habe besonders das Flüchtlingsthema an der Glaubwürdigkeit der Medien gekratzt. „Große Teile haben die Willkommenskultur übernommen. Kritische Stimmen waren gleich verdächtig“, sagte Schächter und folgerte für die Branche: „Wir waren zu einseitig.“

Nicht legitimiert

Auch kurzatmige Fehlmeldungen zum Absturz der German-Wings-Maschine in den Alpen und zum Amoklauf in München nannte der Referent als Beispiele, wie Journalisten unter dem – auch durch das Internet verstärkten – Druck, schnellstens Exklusives zu liefern, Fehler machten. „Es gibt in der Branche wenig Bereitschaft, sich zu entschuldigen.“ Als „vierte Gewalt“ sei man in gewisser Weise unbelangbar, weil man nicht über Wahlen legitimiert werden müsse.

Trotz aller aktuellen Probleme sieht Schächter die Zeitungen, Magazine und Sender auf einem guten Weg. „In den Redaktionen beginnt ein substanzielles Nachdenken“, meinte er. Die Debatte um Standards, Ethik und Qualitätsanspruch der Medien komme in Fahrt. Ohne ins Detail zu gehen, forderte er ein Regelwerk, das über die Leitlinien des Pressekodex hinaus geht. Wenn es stimme, dass Journalisten Maßstäbe nicht einhalten, die sie wie selbstverständlich an andere alegten, müsse man daran arbeiten. „Journalisten haben Moral zu haben, aber keine Moral zu verkündigen“, sagte Schächter. „Sie sind keine Prediger.“

Zu Gast in der Stadthalle aus Anlass des Nassauer Dialogs sind (von links): Malte Lehming vom Tagesspiegel, Jörg Denninghoff MdL, Stadtbürgermeister Armin Wenzel, Sebastian Graf von Kanitz, Prof. Hans-Günter Henneke, Journalistin Monika Zimmermann, Referent Prof. Markus Schächter, Ilse Leifheit, Josef Peter Mertes, Werner Stump (alle G. und I. Leifheit-Stiftung), Jasper von Altenbockum und Prof. Bernd Walter. Foto: Carlo Rosenkranz

Das ZDF-Orange kommt von den Nassauer Farben

Markus Schächter kam 1981 zum ZDF. Von 2002 bis 2012 war er Intendant. „In meiner Zeit beim ZDF wurde Marketing immer bedeutsamer“, sagte Schächter zu Beginn seines Vortrags in der Nassauer Stadthalle. Um die Jahrtausendwende habe man auf der Suche nach einer neuen Farbe für die Corporate Identity einen Workshop in der Nähe durchgeführt. „Das Orange haben wir aus Nassau“, sagte Schächter nun. Die auffällige Farbe verwandte keiner der Mitbewerber und sie hebt sich bis heute auf Bildern vom Mikrofondschungel heraus. crz

Mertes: Diese Themen sind für die gesamte Gesellschaft wichtig

Rhein-Lahn-Zeitung, 15. September 2016:

Josef Peter Mertes

Interview Josef Peter Mertes von der G. und I. Leifheit-Stiftung über den Nassauer Dialog

Nassau. Der zweite „Nassauer Dialog“ der Freiherr-vom-Stein-Gesellschaft beginnt am Freitag, 16. September, mit einem öffentlichen Vortrag des ehemaligen ZDF-Intendanten Prof. Markus Schächter. Er spricht von 19 Uhr an in der Stadthalle zum Thema „Medienkrise? Wohin geht die ,Vierte Gewalt‘ in Deutschland?“ Gefördert wird die Veranstaltung durch die G. und I. Leifheit-Stiftung. Der stellvertretende Vorsitzende Josef Peter Mertes spricht im Interview über das Ziel des „Nassauer Dialogs“ und andere Projekte.

Was verspricht sich die Stiftung davon, mit dem „Nassauer Dialog“ junge Nachwuchsführungskräfte für ein Förderprogramm – überspitzt gesagt – in die Provinz zu holen?
Wir wollen junge Wissenschaftler sowie qualifizierte Nachwuchskräfte aus Wirtschaft und Verwaltung zusammenführen, und zwar hier in Nassau, dem Ort, den unsere Stiftung besonders fördern möchte. Aus dieser zunächst für jeden Teilnehmer einmaligen Einladung wollen wir längerfristig ein Alumni-Netzwerk entwickeln. Die intensive Beschäftigung mit aktuellen gesellschaftspolitischen Themen informiert und bildet weiter, fördert aber auch das Zusammenwirken und den Gemeinschaftsgeist der Gruppe.

Zum Nassauer Dialog gehört ein öffentlicher Vortrag mit einem prominenten Referenten. Dabei werden Themen wie die Zukunft des Parteienstaats oder die Medienkrise behandelt, die eher bei Vorträgen in Städten wie Mainz, Köln, Hamburg oder Berlin zu erwarten sind. Welche Zielgruppe sprechen Sie damit an?
Wer sagt denn, dass „Medienkrise“ oder „Bürgernähe“ Themen nur für die Städte und große Zentren sind? Sie sind für die gesamte Gesellschaft in Deutschland und Europa wichtig, und diese – Sie gestatten, dass ich so flapsig formuliere – lebt zum großen Teil im ländlichen Raum.

Sie waren im vergangenen Jahr bei der Premiere in der Stadthalle dabei. Waren Sie mit der Resonanz zufrieden?
Es war die erste Veranstaltung, und ich fand sie gut. Wir hätten uns allerdings schon mehr Resonanz insbesondere der Bürger, aber auch der kommunalen Vertreter gewünscht. Vielleicht war aber auch noch nicht bekannt, dass es eine offene Dialogveranstaltung ist, zu der auch die Öffentlichkeit herzlich eingeladen ist.

In diesem Jahr stehen die Medien im Mittelpunkt der Debatte. Sie haben als Politiker und Chef der ADD in Trier selbst oft mit Journalisten zu tun gehabt. Wie sind Ihre Erfahrungen mit der Presse?
Meine persönlichen Erfahrungen aus immerhin 50 Jahren politischer Arbeit mit und unter kritischer Beobachtung der Presse sind bis auf wenige Ausnahmen ausgesprochen gut. Das kommt aber auch daher, dass ich über viele Jahre zur Presse in Rheinland-Pfalz, aber insbesondere in meiner Heimatregion gute Beziehungen aufbauen und pflegen konnte. Es gibt natürlich auch weniger gute Beispiele für Pressearbeit und aktuelle Probleme, was angesichts der Vielzahl und Differenziertheit der Medien in Deutschland nicht verwundert.

Welche weiteren Projekte der Stiftung kommen Nassau zugute?
Das Alumni-Netzwerk, das wir aufbauen wollen, wird als Veranstaltungsort auch Nassau und die Lahn-Region berücksichtigen. Der „Nassauer Dialog“ ist aber nur eines von vielen Projekten, die wir als Stiftung in Nassau und Umgebung fördern. Kultur- und Bildungsförderung, die Förderung sozialer Aufgaben, der Leifheit-Campus, die Stiftungsprofessur Geriatrie an der Uni-Medizin Mainz, geschichtliche Projekte, die Entwicklung einer Senioreneinrichtung, die Verbesserung der medizinischen Versorgung alter und kranker Menschen und viele weitere Fördermaßnahmen werden Nassau und die Region voranbringen. Es ist sehr gut für diese Region, dass unser Stifter Günter Leifheit Nassau nie aus dem Herzen verloren hat und uns die Stiftungsmittel hinterlassen hat, die Stadt und die Region voranzubringen.

Die Fragen stellte Carlo Rosenkranz

Verstaubte Schriftstücke bergen Bemerkenswertes

Rhein-Lahn-Zeitung, 3. August 2016:

Forschung Die G. und I. Leifheit-Stiftung fördert wissenschaftliche Arbeit über die Verfassungsgeschichte des Herzogtums Nassau

Von unserem Redakteur Carlo Rosenkranz

Nassau/Bielefeld. Für den Laien wirken Thema und Umfang lähmend, der Fachmann dürfte begeistert sein. Und für den Professor ist es nicht weniger als ein Lebenswerk, dem er sich geradezu euphorisch widmet. Zehntausende Buchseiten in zig Bänden sollen in den kommenden Jahren gefüllt werden. Alle drehen sich um das deutsche Verfassungsrecht zwischen 1806 und 1918. Darin werden alle in diesem Zeitraum bestehenden deutschen Einzelstaaten berücksichtigt. Zur Erforschung des Herzogtums Nassau finanziert die in Nassau ansässige G. und I. Leifheit-Stiftung für zwei Jahre eine halbe Stelle am Lehrstuhl des Rechtswissenschaftlers Prof. Dr. Michael Kotulla.

Rund 14 Stunden arbeitet der Jurist, schließlich will der 55-Jährige das Projekt während seiner aktiven Zeit an der Universität zum Abschluss bringen. Das Ergebnis soll nichts weniger sein als etwas nie Dagewesenes. Es ist Grundlagenforschung im Wortsinn, denn Kotulla zufolge ist die Rechtsgeschichte des 19. Jahrhunderts in der Forschung bisher „völlig unterbelichtet“. Das gelte allgemein für diese Zeitperiode. Der Wissenschaftler sagt: „Von Napoleon und Kaiser Wilhelm hat jeder mal in der Schule gehört. Aber der Deutsche Bund taucht kaum auf und ist selbst einigen Professorenkollegen kein Begriff.“ Dabei seien die damaligen Entwicklungen Grundlage dessen, was wir heute sind – trotz der Brüche, die die beiden Weltkriege darstellten.

Die Recherche ist für den Professor Mühsal, Geduldsprobe und Stimulus zugleich. In den einschlägigen Archiven herrsche mitunter ein ganz eigener Rhythmus, der für den wissbegierigen Jäger zeitgenössischer Dokumente eine Herausforderung ist. „Man braucht eine Menge Leidenschaft“ sagt Kotulla, „denn Archivarbeit ist langatmig und braucht Zeit.“ Zugleich preist er die Archivare, die absolute Fachleute ihres Gebiets seien. „Ich lerne viel von ihnen“, sagt er. Die Archivare fördern vieles zutage, was den Bielefelder Lehrstuhlinhaber Entzücken bereitet. Der Grund: „Es ist ein tolles Gefühl, wenn man weiß, dass man unter den Lebenden der Erste ist, der in ein altes Dokument hineinschaut.“ Kotulla schätzt, dass 30 bis 40 Prozent der von ihm aufgestöberten Texte seit 150 Jahren niemand mehr in der Hand hatte. Entsprechend dicke Staubschichten lägen oft über den Bänden. „Ich müsste eigentlich im Blaumann arbeiten“, sagt er.

Seit Juli vergangenen Jahres wird am Band über das Verfassungsrecht des Herzogtums Nassau gearbeitet. Es wird der zehnte oder elfte in der Reihe sein und dürfte um 2018 erscheinen. Nassau gehört zu den kleineren deutschen Staaten des 19. Jahrhunderts und keineswegs zu den bekanntesten. Dabei gibt es durchaus Bedeutendes zu entdecken. „Das Herzogtum gehört zu den zwei oder drei deutschen Staaten, die schon früh eine geschriebene Verfassung hatten“, erläutert Kotulla und verweist auf das Datum 1814. „Das ist für sich schon bemerkenswert.“ Beim Durchforsten der Archive und dem Auswerten der Funde betritt der Professor nach eigener Einschätzung Neuland. „Es ist bislang nicht aufgearbeitet, was das Herzogtum ausmachte und welche Rolle die dynastischen Verflechtungen spielten“, sagt Kotulla. Das soll sich nun ändern, und der Wissenschaftler ist voller Dank für die finanzielle Unterstützung der G. und I. Leifheit-Stiftung. „In unserem Fachbereich ist es nicht ganz so einfach, Sponsoren zu finden“, sagt der Lehrstuhlinhaber.

Schreibfehler inklusive

Rund 430 Texte über Nassau hat der Professor mit seinem Team bereits recherchiert. Die Dokumente, darunter auch handschriftliche, werden fotografiert und originalgetreu abgetippt – Schreibfehler und Umbrüche des Originals inklusive. „Es werden wieder rund 2000 Buchseiten zusammenkommen“, schätzt der Wissenschaftler den Umfang des Nassau-Bandes. Gerade die weniger bekannten Staaten hätten Überraschendes zu bieten. „Für mich war das Herzogtum Nassau nur irgendein Kleinstaat, aber jetzt bin ich fasziniert“, sagt Kotulla. In der Schule lerne man, dass die Paulskirchenverfassung von 1849 die modernste ihrer Zeit gewesen sei. „Doch das ist Blödsinn. Die kleinsten Staaten waren viel weiter.“ In einigen habe bereits der Ausdruck Demokratie Verwendung gefunden, obwohl er damals allgemein ein Schimpfwort gewesen sei.

Auch wenn verstaubte Schriftstücke den Kern seiner Arbeit bilden, findet der Rechtswissenschaftler in seinem Projekt zahlreiche Bezüge in die heutige Zeit. Aus dem von 1815 bis 1866 bestehenden Deutschen Bund könne man beispielsweise viele Erkenntnisse gewinnen, die für das heutige Europa von Interesse seien. „Das erkennt bislang kaum jemand“, sagt Kotulla. Dabei gehe es um die Frage, wie kleine Staaten in einem Bund ein gewisses Gewicht haben könnten, während die Großen eine Führungsrolle übernehmen. „Nicht alles war damals gut, aber man sollte mal hineinschauen und Anleihen machen.“ Spannend findet der Wissenschaftler auch, wie im Herzogtum Nassau bundesrechtliche Vorgaben umgesetzt worden sind. Und selbst das Grundgesetz der Bundesrepublik ist Kotulla zufolge nicht die Krone der Schöpfung. „Keine Frage: Die Festschreibung der Grundrechte ist hervorragend, aber viele Fragen der Organisation des Staats wurden im 19. Jahrhundert besser gelöst.“

Zwei Leidenschaften vereint

Der Bielefelder Professor hofft, dass seine Grundlagenarbeit junge Juristen motiviert, Doktorarbeiten zum Themengebiet zu schreiben. „Juristen gehen nicht gern ins Archiv, aber wir legen die Quellen vor“, sagt er. In seiner Person vereinen sich zwei Leidenschaften, die für das Forschungsprojekt unabdingbar sind. Kotulla ist nicht nur Rechtswissenschaftler, sondern auch Historiker mit Abschluss. „Das ist eine glückliche Mischung“, urteilt er selbst, obwohl er Jura in seiner Karriere den Vorzug über die „brotlose Kunst“ des Historikers gab. Beim Projekt Verfassungsgeschichte, das der Erfüllung eines Lebenstraums gleichkommt, aber erweist sich die Fächerwahl als symbiotisches Ideal. „Der Historiker allein kann bei diesem Thema nichts ausrichten, denn ihm fehlt der richtige Blick; der Jurist aber auch nicht, denn ihm fehlen die geschichtlichen Hintergründe und die Methodik.“ Nicht nur spezialisierte Geisteswissenschaftler will Kotulla mit seinem Projekt ansprechen. „Vieles ist auch für Hobbyforscher interessant“, sagt er und verweist auf die 400 Seiten umfassende Einführung über das 19. Jahrhundert.

Die Souveränitätserklärung des Herzogtums Nassau aus dem Jahr 1806 gehört zu den zahllosen Dokumenten, die im Rahmen des Forschungsprojektes fotografiert und originalgetreu abgetippt werden. Fotos: Uni Bielefeld
Die Souveränitätserklärung des Herzogtums Nassau aus dem Jahr 1806 gehört zu den zahllosen Dokumenten, die im Rahmen des Forschungsprojektes fotografiert und originalgetreu abgetippt werden. Fotos: Uni Bielefeld
Prof. Michael Kotulla

Fachmann für Verfassungsgeschichte der Neuzeit

Prof. Michael Kotulla hat an der Philipps-Universität Marburg Rechtswissenschaft und Geschichte („Magister Artium“) studiert und habilitierte sich im März 1999 am Fachbereich Umweltwissenschaften der Universität Lüneburg für die Fächer Staats- und Verwaltungsrecht sowie Verfassungsgeschichte der Neuzeit. Der Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere Umweltrecht, wurde 1999 an der Universität Bielefeld neu eingerichtet. Die dortige Forschungs- und Lehrtätigkeit erfasst nahezu sämtliche Bereiche des Staats- und Verwaltungsrechts sowie die neuzeitliche Verfassungsgeschcihte. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf dem Umweltrecht. Die verfassungsgeschichtlichen Aktivitäten konzentrieren sich auf die Rechtsquellengrundlagenforschung. Das Hauptaugenmerk in Forschung und Lehre gilt insoweit der Verfassungsgeschichte des 19. Jahrhunderts.